"Das Fließband lief furchtbar schnell. Ab und zu fiel eine Maschine aus. Beschimpfungen waren fester Bestandteil der täglichen Arbeit. Wenn ich nicht schnell genug arbeitete und die Platine vorbeizog, konnte es zu einem Produktionsfehler kommen. Das Hinterherhetzen machte mich fertig! An unserer Linie arbeiteten ein paar Leute, die sich ziemlich einig waren. Ich saß an der ersten Station. Der Vorschlag ging am Band entlang von einer zur anderen. Nach dem Abendessen besprachen wir die Sache. Wenn wir keine Überstunden leisten, dann alle zusammen. Wir streikten abends"(Weizhen, 24)
Seit den neunziger Jahren wandern in China Millionen junge Frauen vom Land in die Industriezonen an der Küste. Dagongmei, arbeitende Schwestern, werden sie genannt. Sie sind die Arbeitskraft der globalen Fabrik, und sie sind Subjekte der entstehenden größten Sozialbewegung der Welt. Wissenschaftlerinnen und Aktivistinnen haben in der südchinesischen Industriestadt Shenzhen Kontakt zu ihnen aufgenommen, sie in ihren Wohnheimen besucht und ihren Widerstand gegen Überarbeitung, Niedriglöhne und Gesundheitszerstörung unterstützt. Aus einem Interviewprojekt ist dieses Buch entstanden. Im September ist die deutsche Ausgabe von DAGONGMEI erschienen. Am 22. Januar wird einer der Herausgeber das Buch vorstellen und Bilder aus dem Alltag in Shenzhen zeigen (er ist im Moment in China). Die Frauen erzählen von der Diskriminierung in der Familie auf dem Land, den Gefahren der Wanderung, den Bedingungen in den Wohnheimen und an den Fließbändern. Sie haben bittere Erfahrungen gemacht und müssen sich ihren Raum und ihre Freiheit selbst erkämpfen. Gegen arrangierte Ehen, despotische Vorgesetzte und ihren staatlichen Ausschluss aus der urbanen Gesellschaft finden sie trotz aller Probleme Wege des Widerstands. Sie erkämpfen sich ein neues Selbstbewusstsein als dagongmei, organisieren Demonstrationen und entwickeln ihre Macht in Streiks gegen das internationale Kapital.
Die Diskussionen um das Buch können nur ein Anfang sein. Weitere Auseinandersetzungen sind notwendig, um der rasanten Entwicklung in den Industriezonen Chinas und darüber hinaus zu folgen. Die Weltwirtschaftskrise trifft die Sonderwirtschaftszonen Südchinas mit besonderer Härte. Regierung und Unternehmen versuchen, die Löhne zu drücken. Entlassungen führen zu einer heftigen Zunahme der Kämpfe. Schließlich wollen wir die Frage aufwerfen, ob diese Auseinandersetzungen »nur« Ereignisse am »anderen Ende der Welt« sind, bzw. ob und was diese Kämpfe mit unseren Ausbeutungsbedingungen zutun haben.
Pu Ngai Li Wanwei DAGONGMEI. Arbeiterinnen aus Chinas Weltmarktfabriken erzählen Assoziation A & gongchao 2008 - ISBN 978-3-935936-73-6 | 260 Seiten | 18.00