Freiheit stirbt mit Sicherheit — für unkontrollierte Versammlungen!

IndyFeature | Nigra | Audio | Video | Presse


Communiqué vom 13.12.2008

Am Samstag, den 13. Dezember 2008, fand mit 2.500 TeilnehmerInnen die erste große autonome Demo in Freiburg seit der Love or Hate-Parade am 1. Mai 2007 statt. Im Anschluss an die Demo gab es ein Straßenfest im Quartier Grün und ein Festival im Autonomen Zentrum KTS Freiburg. Die KTS hatte zusammen mit anderen Gruppen zur Demonstration gegen das geplante neue baden-württembergische Versammlungsgesetz aufgerufen. Die Demonstration war Teil einer Kampagne des Antifaschistischen Aktionsbündnis Baden-Württemberg. Zuvor fanden am 29. November in Mannheim und am 6. Dezember in Stuttgart Demonstrationen statt. Im Gegensatz zu diesen wurde die Demonstration in Freiburg bewusst nicht angemeldet.

Im Vorfeld der Demonstration wurde aufgrund gezielter Pressearbeit die Einschränkung der Versammlungsfreiheit sowohl in unkommerziellen als auch in kommerziellen regionalen Medien thematisiert. Wir haben unsere Bereitschaft zur Deeskalation durch ein informelles Gespräch mit der Polizei signalisiert und dieses Vorgehen durch ein Communiqué für alle transparent gemacht. Gleichzeitig haben wir unsere Kritik am geplanten Versammlungs- und am bereits beschlossenen Polizeigesetz durch Hintergrundtexte, bildliche Darstellungen und Infoveranstaltungen offensiv in die Öffentlichkeit getragen und damit für die unangemeldete Demonstration ausgehend vom Weihnachtsmarkt mobilisiert.

Der Weihnachtsmarkt wurde als Auftaktort gewählt, um eine breite Öffentlichkeit zu erreichen. Außerdem wurde damit der Vorrang der Versammlungsfreiheit vor den kapitalistischen Interessen der Freiburger Geschäftsleute betont. Mit dem geplanten Versammlungsgesetz sollen die Interessen Dritter weiter gestärkt und damit die Versammlungsfreiheit weiter eingeschränkt werden.

Zwei Tage vor der Demonstration provozierte das Amt für öffentliche Ordnung mit einer Allgemeinverfügung, die Demonstrationen in der Innenstadt verbieten sollte: „Das öffentliche Interesse der Allgemeinheit, von der Versammlung nicht beeinträchtigt zu werden, überwiegt das Interesse der Demonstrationsteilnehmer“. Wir hatten im Vorfeld klargestellt, dass wir keinen Angriff auf den Weihnachtsmarkt und die Innenstadt geplant haben. Wir haben uns an diese wie auch an fast alle anderen Ankündigungen gehalten. Absurde Auflagen sollten beispielsweise „die Beschallung [..] auf den unmittelbaren Versammlungsbereich [..] beschränken“. Das war völlig unnötig, denn nach der Hälfte ging unsere Anlage sowieso kaputt, so dass wir leider das Pippi Langstrumpf-Lied nicht - wie angekündigt - spielen konnten. Zum Glück hatte die Polizei ein Megafon dabei, so dass am Bertoldsbrunnen eine Rede gehalten werden konnte.

In der Begründung der Allgemeinverfügung lügt das Amt für öffentliche Ordnung. Wieder wurde die angeblich „eingeschlagenen Scheibe“ einer Tram bei der Antirepressionsdemo am 18.12.2004 aufgeführt. Bereits am 09.07.2007 gab eben dieses Amt in einer Antwort auf eine kleine Anfrage zu den Auflagen der Love or Hate-Parade am 1. Mai 2007 zu, dass bei der Antirepressionsdemonstration „keine Scheibe an einem Straßenbahnfahrzeug zu Bruch“ ging. Und beim DIY-Festival im Hochsommer 2006 sollen Nikoläuse anwesend gewesen sein, deshalb wurden Nikolauskostüme verboten.

Es gab Vorkontrollen sowohl auf der A5 als auch in Freiburg selbst. Ein Bus aus Frankfurt wurde auf der Suche nach „Vertretern des Schwarzen Blocks“ von der Polizei gestoppt. Die Polizei kontrollierte in der Innenstadt Personen, die sie der linken Szene zuordnete, und beschlagnahmte Fahnenstangen. Ausgerechnet die Clowns, deren einziges Vergehen Satire ist, wurden durchsucht und schikaniert. Ein Punk wurde bei einer Vorkontrolle in Gewahrsam genommen, weil er seinen Ausweis angeblich zu langsam vorzeigte. Durch die Festnahme erlitt er Schürfwunden im Gesicht und an den Handgelenken.

Um 14 Uhr wurden dem Einsatzleiter der Polizei und dem Leiter des Amtes für öffentliche Ordnung die Route Rathausplatz, Merianstraße, Schiffstraße, KaJo bis zur Zwischenkundgebung am Bertoldsbrunnen mitgeteilt. Während einer Rede gegen die zunehmende Überwachung wurde dort versucht, die weitere Route mitzuteilen. Aufgrund des unkooperativen Verhaltens des Leiters des Amtes für Öffentliche Ordnung wählten wir aus Deeskalationsgründen eine Route durch das Bermuda-Dreieck. Die Demonstration gewann noch einmal an Dynamik und lief durch die Löwenstraße, Niemensstraße, Universitätsstraße in die Bertoldstraße am Platz der Alten Synagoge vorbei über die Moltkestraße in die Belforstraße ins Grün.

Die Polizei lief im vorderen Teil der Demonstration teilweise sehr eng am Rand des Demonstrationszugs. Im Bereich der Universitätsstraße vermummten sich viele PolizistInnen und provozierten so die DemonstrationsteilnehmerInnen. Grundsätzlich gab es, abgesehen von den Vorkontrollen und der Gewahrsamnahme, wenig Stress von Seiten der Polizei. Sie war komplett überflüssig.

Es flogen Böller und gegen das ehemalige Hauptquartier der Gestapo - dem heutigen Regierungspräsidium - Farbbeutel. Es gab viele aufwändig gestaltete Transparente und treffende Sprechchöre hauptsächlich zum Thema Überwachung und Repression, aber auch zum Mord an Alexandros Grigoropoulos am 06.12.2008 in Athen. Über 4.000 Faltblätter mit Hintergrundinformationen zum bereits beschlossenen baden-württembergischen Polizeigesetz, dem geplanten neuen Versammlungsgesetz und zu einer Analyse der Überwachungsgesellschaft wurden an PassantInnen verteilt. Neben zahlreichen Autonomen im schwarzen Block nahmen viele Studierende und SchülerInnen an der Demonstration teil. Auch Fußballfans, ältere Leute, besorgte DemokratInnen und spontan auch viele PassantInnen demonstrierten für Versammlungsfreiheit.

Auf dem anschließenden Straßenfest gab es anlässlich des bundesweiten Aktionstages zum mg-Prozess einen Redebeitrag in Solidarität mit den von §129/a/b-Verfahren betroffenen GenossInnen, Musik und VoKü, ein Goa-Zelt, eine wärmende Feuertonne und Bengalos. Ein Nazi provozierte die BesucherInnen des Straßenfestes mit einem „Thor Steinar“-Pullover und wurde von einem Zivilpolizisten beschützt. Beide wurden vertrieben. Der Zivilpolizist war bereits am 25.11.2008 bei den Protesten gegen die NATO-Rekrutierungsveranstaltung und am 11.12.2008 an der KTS aufgefallen. Nach dem Straßenfest fand in der KTS ein gut besuchter Konzertabend mit mehreren Live-Bands statt.

Die Demonstration war ein voller Erfolg. Die Mobilisierung hat viele Menschen motiviert ihren Protest gegen das Versammlungsgesetz auf die Straße zu tragen. Die positive Außenwirkung kam wesentlich durch den Mix aus Autonomen-schwarz und Freiburg-bunt zustande. Die Demonstrierenden wiesen die Einschüchterungsversuche der Stadt Freiburg ganz praktisch zurück und versammelten sich wann und wo sie wollten. Die Nichtanmeldung war ein wichtiges politisches Signal dafür, dass wir schon das bisherige Versammlungsgesetz nicht respektieren, vom geplanten ganz zu schweigen. Wir sind alle gegen das Versammlungsgesetz und für unkontrollierte Versammlungen!

KTS Demonachbereitungsgruppe


Zwei Tage später wurden dem Delegierten der KTS Demovorbereitungsgruppe für die Kommunikation mit der Polizei drei Reifen seines Autos zerstochen und der Lack zerkratzt:

Einschüchterungsversuch gegen Freiburger Linken

Communiqué vom 17.12.2008
Autonome Antifa Freiburg