Zum 1. Januar 2008 trat die Vorratsdatenspeicherung in Kraft. Die Proteste dagegen beliefen sich zumeist auf staatsaffirmatives Hoffen auf das gute Bundesverfassungsgericht oder dem Verlesen des Grundgesetzes, dem Singen des urdeutschen Liedes "Die Gedanken sind frei" ("Ich denke was ich will und was mich beglücket, doch alles in der Still’, und wie es sich schicket.") und vor allem dem Ausmachen des Innenministers Schäuble als demokratiezerstörenden Einzeltäter (inklusive unvermeidlicher Nazivergleiche wie "SSchäuble" und vor allem den allgegenwärtigen Stasi 2.0-Aufklebern).
Wenn Schäuble seine Zwangsvorstellungen über Staat und Ordnung so weit ausleben kann, stellt sich allerdings eine Frage, die von den vernehmbarsten Anti-Schäublisten gern übergangen wird: Warum steht keine breite gesellschaftliche Bewegung gegen den Ausbau von Überwachungsmaßnahmen wie es sie in den 80ern gegen die Volkszählung gab? Warum gibt es zu Schäubles Schutz des Staates vor der Gesellschaft kein Pendant, die Gesellschaft vor dem Staat zu schützen?
Sich Schäuble und die Stasi aufs Emblem zu heben, greift scheinbar taktisch das breite Bedürfnis nach Schuldigen und Skandal auf, um dann die komplexeren Zusammenhänge nachschieben zu können. Praktisch werden die Bedürfnisse damit affirmiert, und in den Pressemitteilungen fehlen sie auch schon wieder: Statt darauf einzugehen, dass die Bevölkerung nach hartem Durchgreifen verlangt, werden steile Thesen darüber aufgestellt, dass das Innenministerium Anschlagsrisiken übertreiben würde, um seine Pläne durchzubekommen. Dabei wurden die Verschärfungen der Inneren Sicherheit immer besonders geräuschlos durchgewunken, wenn es nicht um Terror ging, etwa beim Ausbau des kleinen BGS zur riesigen Bundespolizei oder bei der Ausweis-Biometrie.
Stasi 2.0? Nein, ganz einfach Volk 1.0, Standardausgabe. Wer in der Zeitung über seine Nachbarn lesen will, was sie für sexuelle Gepflogenheiten haben oder wie gemeinschaftsfeindlich sie sich der unkorrekten Mülltrennung schuldig machen, der hat wenig Skrupel, was einen starken, schützenden Staat angeht.
Schreien Sie bitte nur, wenn Sie getroffen wurden.