Antikapitalismus hat Konjunktur. Selbst die CDU diskutierte jüngst, ob sie eine kapitalistische Partei sei. Auf den ersten Blick eine erfreuliche Entwicklung - aber nicht zuletzt die „Heuschreckenkampagne“ in Freiburg hat kürzlich gezeigt, daß nicht jeder Protest gegen eine schlechte Sache auch automatisch emanzipatorisch ist. Ganz bewußt hat sich die Bürgerinitiative gegen den Verkauf in eine Kampagne der deutschen Kriegs- und Regierungspartei SPD eingereiht, in der „Antikapitalismus“ die Verteidigung deutscher Städte und des „sozialen“ Staates gegen eine von außen kommende Bedrohung darstellt. Gegen die von vielen Seiten und in durchaus solidarischer Absicht geäußerte Kritik an der nationalistisch, antiamerikanisch und antisemitisch aufgeladenen Heuschreckensymbolik stellte man sich taub, wenn es nicht gleich zu aggressiven Pöbeleien gegen die VerräterInnen kam, die es wagten, angesichts der drohenden Gefahr noch Kritik zu üben, anstatt sich in die Bewegung einzureihen. Der Freiburgkorrespondent der Querfrontzeitung „junge Welt“ konnte sich in einem Artikel (der auch als Flugblatt kursierte) die „Antisemitismusvorwürfe“ der KTS nur als „Ablenkungsmanöver“ von Leuten erklären, denen die „Schweinereien“ der Politik egal seien.
Dagegen wollen wir nochmals verdeutlichen, warum die Kritik des falschen Antikapitalismus keine theoretische Übung für müßige Stunden ist, die beim ersten Anzeichen eines konkreten Problems oder einer sich formierenden Bewegung vergessen werden kann, sondern eine der aktuellen Hauptaufgaben emanzipatorischer Kräfte. Denn ein Antikapitalismus, der vornehmlich auf die „Schweinereien“ von KapitalistInnen und PolitikerInnen zielt, läßt nicht nur die grundlegenden Verhältnisse unhinterfragt, er wird auch notwendig populistisch. Wer etwa beim Warentausch „gerechte“ Preise und vom Staat „gute“ Politik fürs Volk erwartet und fordert, muß sich nunmal auf die Suche nach denen machen, die dem im Wege stehen. Zu emanzipatorischer Veränderung trägt solche „Kritik“ nichts bei, zur Verbreitung von Nationalismus, Rassismus und Antisemitismus jedoch eine ganze Menge.
Stattdessen soll für eine radikale Kritik von Herrschaft und Ausbeutung plädiert und deren Umrisse und Mindestanforderungen dargestellt werden. Und nicht zuletzt soll es um die Frage gehen, wann und wie ein kritisch-solidarisches Verhältnis zu be- und entstehenden sozialen Bewegungen möglich ist und wie eine emanzipatorische Praxis gegen Staat und Kapital im hier und jetzt aussehen kann. Darüber gibt uns heute Abend (20 Uhr) Lothar Galow-Bergemann (Stuttgart) Auskunft. Er ist in der Gruppe „Krisis“ (www.krisis.org) aktiv und hat auch sonst schon jede Menge Erfahrungen in und mit Protest- und Alternativbewegungen gesammelt.