AUSGRENZUNG IN DEN KÖPFEN - Ausgrenzung in den Gesetzbüchern - Ausgrenzung aus der Gesellschaft "Zu Gast bei Freunden!"? Was hat Hartz IV mit Flüchtlingspolitik zu tun?
Das soziale Leben von Flüchtlingen hat sich in den letzten Jahren immer mehr zu einem Prototyp für das allgemeine soziale Leben entwickelt: Diskriminierungen werden allgemein durchgesetzt. Dieser Zusammenhang soll hier kurz aufgezeigt werden (Veranstaltung dazu s. unten).
Aktionen gegen die Unterbringung von Flüchtlingen in Lagern gibt es seit vielen Jahren. Eine Karawane-Tour führte z.B. 1998 durch Südbaden, in Thüringen trafen sich vor vier Jahren viele, um u.a. gegen das Lager Tambach-Diethart zu protestieren (das dann auch geschlossen wurde). Eine andere Tour führt vor zwei Jahren durch Norddeutschland.
Die nächste Anti-Lager-Tour findet Ende Juli in Bayern statt, näheres unter www.deutschland-lagerland.de (29.7. bis 5.8.06).
Flüchtlingslager sind zu einem Symbol der Ausgrenzung, Abschiebung und Diskrimi- nierung geworden.
Der gesetzliche Rassismus drückt sich in Deutschland z.B. im "Asylbewerberleistungsgesetz" aus, 1993 zusammen mit der praktischen Abschaffung des Asylrechts eingeführt. Damals wurden erstmals in der Nachkriegsgeschichte größere soziale Gruppen aus dem (damals noch gültigen) Bundessozialhilfegesetz ausgeschlossen. Es handelte sich dabei um die Asylsuchenden und Geduldeten.
Eine Kritik an den damaligen rassistischen Methoden der deutschen Politik lautete auch, dass diese Beispiele ,Schule machen’ werden, künftig andere soziale Gruppen betreffen wer de. Was ist daraus geworden?
Die Lagerunterbringung ist zu einem vorherrschenden Merkmal der Ausgrenzung geworden.
Dank der "Festung Europa" stehen mittlerweile viele Lager leer; schon werden Äußerungen aus der Politik laut, dass darin auch Hartz-IV-EmpfängerInnen untergebracht werden könnten. "Wir setzen niemanden auf die Straße", heißt es zynisch aus der Arbeitsagentur Freiburg, April 2006. Die Kommunen wollen die teuren Mieten nicht länger übernehmen. Dies kann relativ schnell z.B. in Müllheim, in Offenburg, aber auch in Freiburg umgesetzt werden.
Im Alltag der Flüchtlinge spielen bislang auch andere Bedingungen eine wichtige Rolle, an deren Ausweitung z.B. auf Hartz- IV-Leute inzwischen heftig gearbeitet wird:
- Fresspakete, sogen. Verpflegung mit Sachleistungen (§ 4 SGB II, = Hartz IV) Georg Classen, Berlin 2004, Sozialrechtsexperte f. Flüchtlinge kritisiert dies so: "Neben dem Sachleistungsprinzip wird im Falle der Kürzung oder Streichung der Mietkosten auch die Einweisung ins Obdachlosenheim zur denkbaren Sanktion für Arbeitslose. Ein Vermieter wird wohl kaum Mietzahlungen in Form von Lebensmittelgutscheinen akzeptieren. Durch Abschottung der Grenzen frei gewordene Gemeinschaftsunterkünfte für Asylbewerber können so einer neuen Nutzung als Obdachlosenunterkünfte zugeführt und die Lieferanten von Sachleistungen für Asylbewerber neue Kundenkreise erschließen."
- Ein-Euro-Jobs: als das Asylbewerberleistungsgesetz 1993 eingeführt wurde, wurde dort über "Arbeitsgelegenheiten" (§ 5) ausgeführt: Es werden Arbeitsgelegenheiten für Asylbewerber insbesondere zur Reinigung etc. der Lager geschaffen;.... es sollen (auch) "Arbeitsgelegenheiten bei staatlichen, bei kommunalen und bei gemeinnützigen Trägern zur Verfügung gestellt werden, sofern die zu leistende Arbeit sonst nicht, nicht in diesem Umfang oder nicht zu diesem Zeitpunkt verrichtet werden würde." Dafür wird eine Aufwandsentschädigung von 1,05 Euro je Stunde ausgezahlt. (!!) "Arbeitsfähige... sind zur Wahrnehmung einer zur Verfügung gestellten Arbeitsgelegenheit verpflichtet. Bei unbegründeter Ablehnung einer solchen Tätigkeit besteht kein Anspruch auf Leistungen nach diesem Gesetz." "Ein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts und ein Beschäftigungsverhältnis ... werden nicht begründet." Auch dies bezog sich auf Asylsuchende! Heute ist dies Standard bei sogen. gemeinnütziger Beschäftigung, auch unter dem Begriff 1-Euro- Zwangsarbeit bekannt.
- herabgesetzte gesundheitliche Minimalversorgung: damals unter "Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt" im AsylbL-Gesetz festgehalten "Zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände sind die erforderliche ärztliche und zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln sowie sonstiger zur Genesung, zur Besserung oder zur Linderung von Krankheiten oder Krankheitsfolgen erforderlichen Leistungen zu gewähren. Eine Versorgung mit Zahnersatz erfolgt nur, soweit dies im Einzelfall aus medizinischen Gründen unaufschiebbar ist." (usw.) Chronische Erkrankungen d.h. die Ursachen werden nicht mehr therapiert.
Heute ist die Situation nicht sehr weit davon entfernt. Die Krankenkassen haben inzwischen ganz allgemein Standards für eine Minimalversorgung erarbeitet, Zuzahlungen wurden zur allgemeinen Pflicht (nicht nur die 10 Euro Praxisgebühr), und wenn jemand nicht gut sieht oder Zahnersatz benötigt, fängt schon der Streit an, was heute noch finanziert wird. Brillen werden gar nicht mehr bezahlt. Nach dem Motto, wer nichts leistet, hat auch keine Ansprüche zu stellen. Und: wer aus fremden Töpfen frisst, soll auch nur so viel erhalten, dass sie/er nicht verhungert.
In der Hartz IV-Dynamik wird gerade an der allgemeinen Senkung der Lebenshaltungskosten gefeilt; für Jugendliche bis zu 25 Jahre sind bereits heute harte Sanktionen vorgesehen.
Sich die Augen reiben? Oder den Kopf in den Sand stecken?
Wird man die heutigen Realitäten des Flüchtlingsalltags vergleichen mit dem künftigen Alltag einer wachsenden Bevölkerungsgruppe so kann man sich heute leicht ausmalen, was es alles noch geben wird.
Am 28. Juni, 20.00 wird es in der KTS um die Verknüpfung von Flüchtlingspolitik und Hartz IV-Thematik gehen.
Wir wollen auch über die nächste Anti-Lagertour 29.7. bis 5.8.06 in Bayern informieren und darauf hinweisen, dass es in Europa zu dieser Frage auch schon viele Widerstands-Aktionen gegeben hat.
Freiburger Soli-Komitee für die Anti-Lager-Tour