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6.11., FREIBURG BURSCHENSCHAFTS-VERANSTALTUNG GESPRENGT!
Text zu einer Aktion anläßlich des versuchten Auftritts von Jamal Karsli
Am 6.11. ist es gelungen, eine Veranstaltung der Freiburger Burschenschaft saxio silesia durch verschiedene Störaktionen zu sprengen.
Die Burschis hatten den Antisemiten Jamal Karsli in ihre schicke Villa eingeladen, der vielversprechend ankündigte, die "Wahrheit" über den "Fall Karsli" zu offenbaren. Doch dieses Vorhaben konnte er schließlich nur sehr rudimentär umsetzen: Rund 30 "StörerInnen" hatten sich in dem heimeligen Vortragsraum eingefunden und begrüßten den Referenten euphorisch mit einem nicht enden wollenden Applaus.
Den nicht mal 10 anwesenden Burschis verging die anfängliche Freude ob des großen Besucherandranges doch relativ schnell. Einige BesucherInnen schienen sich just zu Beginn des Vortrages erkältet zu haben und wurden von heftigen Hustenanfällen geplagt. Daraufhin wurden im ganzen Raum Hustenbonbons verteilt und eine aufgeregte Diskussion entbrannte, ob das Rauchen im Raum nicht doch besser zu unterlassen wäre. Die verzweifelten Versuche Karslis, sich zu Wort zu melden (z.B.: "der Antisemit war Ich!") wurden mit minutenlangen Applausovationen gefeiert. Die angenehme Feierlaune ging auch nicht verloren, als die Ersten "StörerInnen" den Raum verlassen mussten; der extra anwesende Kripo-Beamte zeigte sich dabei ziemlich humorlos und ließ sich von der guten Stimmung nicht anstecken.
Als dem Ober-Burschi klar wurde, dass es keine Hoffnung gab, die Veranstaltung einigermaßen planmäßig über die Bühne zu bringen (Karsli hatte bis dahin nicht mal 5 Sätze sprechen können), löste er die Veranstaltung mit folgendem Hinweis auf: "Ihre Taktik ist aufgegangen. Die letzten, die hier eine Veranstaltung sprengten waren 1939 die SA." Eine überaus gelungene und spaßige Aktion also, bei der es aber vor allem auch wichtig war zu zeigen, dass AntisemitInnen hier und auch anderswo kein Rederecht haben. Und dass die ruhige Zeit für Burschenschaften vorüber ist, denn: Heute ist nicht alle Tage!!!
Kein Rederecht für AntisemitInnen! Burschenschaften abschaffen!
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"Europäische Schläge gegen Israel"
Ein Beitrag zum Thema Antisemitismus
"Freilich hat die Linke ihre ungeschriebenen moralischen Gesetze, die sie nicht beugen darf. ,Wo es Stärkere gibt, immer auf der Seite der Schwächeren’, welch unüberschreitbar wahre Trivialität! Und stärker wer wagte Widerrede? das sind die Araber; stärker an Zahl, stärker an Öl, stärker an Dollars, [...] stärker, ganz gewiss, an Zukunftspotential."1
Am 6.11. konnte ein Auftritt des Israelhassers, Möllemannfreunds und Aktivisten der Deutsch-Arabischen Gesellschaft Jamal Karsli vor der ultradeutschen Burschenschaft Saxo-Silesia recht erfolgreich verzögert und gestört, jedoch nicht verhindert werden, da das ganze unter Polizeiaufsicht im Burschenschaftshaus stattfand, oder anders formuliert: dank der Existenz einer antifaschistischen Linken in Freiburg stattfinden musste. Wie notwendig und doch völlig unzureichend solche Aktionen auch in Zukunft sein werden, soll im Folgenden mit einigen Skizzen des Deutsch-Europäischen Beitrags zum Krieg gegen Israel gezeigt werden.
Nachdrücklich hat vor kurzem Matthias Küntzel darauf hingewiesen, dass der palästinensische Terror vorderste Front eines globalen islamistisch- antisemitischen Krieges nicht ohne die direkte und indirekte Unterstützung Deutschlands und Teilen der EU zu verstehen ist.2 Sei es die Finanzierung des palästinensischen Terrorregimes, die Treue zum andernfalls längst erledigten Arafat, die damit verbundene Sabotage von relativ progressiven palästinensischen Kräften etwa um Mahmud Abbas, die äußerst zögerliche Verurteilung von Mörderbanden wie der Hamas oder die perfide Äquidistanz, die sich in Formulierungen wie "Gewaltspirale" ausdrückt, offen oder augenzwinkernd wird signalisiert: Wir sind bei euch. Diese Politik ist Teil einer immer offeneren neuen Blockkonfrontation: "Jeder außenpolitische Erfolg der USA ist ungünstig für den Stellenwert der EU. Je geringer aber der amerikanische Erfolg, desto größer die Gelegenheit für Deutschland und die EU, sich als Alternative zu den USA zu profilieren und so von deren Scheitern zu profitieren."3 Durch Anheizen des Konflikts und Sabotage einer effektiven Terrorbekämpfung soll Israels einzigem echten (jedoch keineswegs auf Dauer gesicherten) Unterstützer, den USA, geschadet werden, gleichzeitig zieht Israel als jüdischer Staat den Hass der Antisemitischen Internationale auf sich. Es ist kein Zufall, dass in einer (methodisch problematischen) EU-weiten Umfrage Israel als die größte Bedrohung des Weltfriedens bezeichnet wurde, eine Meldung, die in palästinensischen Medien begeistert aufgenommen wurde. Die Juden sind längst nicht mehr nur in der Deutschen Wahnwelt "unser Unglück", wie aus einer Karikatur in der offiziellen PA-Zeitung Al Hayat Al Jadida zu entnehmen war, in der die Welt von einem Davidstern gefesselt und gequält wird.4 Neu ist das freilich nicht, konnte man doch schon in der PLO- Charta von 1968 lesen: "Der Zionismus steht im Gegensatz zu allen Befreiungsbewegungen und fortschrittlichen Kräften in der Welt. [...] Israel ist ein ständiges Potential zur Bedrohung des Friedens sowohl in der Nah- und Mittelostregion als auch in der ganzen Welt."
Zustimmen dürfte dem auch der (inzwischen abgelöste) malaysische Premierminister Mahathir Mahamad, der auf einer islamischen Gipfelkonferenz den folgenden Missstand anprangerte: "Die Europäer ermordeten 6 von 12 Millionen Juden, doch heute beherrschen die Juden die Welt durch Stellvertreter". Doch "1,3 Milliarden Moslems können nicht von ein paar Millionen Juden besiegt werden. Es muss einen Weg geben." Und zwar zum "final victory", was hier ohne allzu große literarische Freiheit als Endsieg übersetzt werden soll.5 Die Reaktionen auf die Rede: Unterstützung aus den auf der Konferenz vertretenen Ländern, Kritik aus den USA und Weigerung der EU, die Rede im Rahmen einer gerade stattfindenden Konferenz zu verurteilen.
Derweil kommt Deutschland immer mehr zu sich selbst. Der "Fall Hohmann" zeigt mehr als deutlich: der Mann ist ein echter Demokrat, d.h. Volksvertreter, der seine Aufgabe nur etwas zu ernst genommen hat. Die Mehrheit denkt wie er, sein Ausschluss war offensichtlich ein von oben durchgesetzter, vielleicht letzter und lustlos widerstrebend vollzogener Kraftakt. Wie es tatsächlich aussieht, zeigt der Streit um das Holocaust-Mahnmal: Wer gestern an der Herstellung von Zyklon B für die Vernichtungslager profitierte, kann heute ohne weiteres am Bau von Denkmälern für die Ermordeten weiterverdienen, die Proteste der überlebenden Opfer werden mit offener Verachtung übergangen.6
Aber auch diese scheinbar internen Ausbrüche werden weltweit wahrgenommen und verstanden, so konnte man am 10.11. in der jordanischen Tageszeitung Al-Dustour unter der Überschrift "Europäische Schläge gegen Israel" folgendes lesen: "Israel musste zuletzt eine Reihe von bedrängenden und schmerzhaften Nackenschlägen einstecken und reagierte darauf wütend und erbost. Der erste Schlag kam aus dem Osten, wo Malaysias Mahatir Muhammad Israel als einen arroganten Staat bezeichnet hat, der Kontrolle und Einfluss über alle Länder der Welt ausüben wolle. Die Lage spitzte sich weiter zu, als die Europäische Union davon absah, den malaiischen Standpunkt zu verurteilen [...]. Der zweite Schlag kam aus Deutschland. Dort verglich der CDU-Abgeordnete Martin Hohmann Juden mit Nationalsozialisten, indem er die Aktionen der Juden während der bolschewistischen Revolution im Jahr 1917 mit den Taten der Nazis auf eine Stufe stellte. [...] Der dritte Schlag kam nun gestern aus Westeuropa. Eine von der EU-Kommission in Brüssel durchgeführte Meinungsumfrage zeigt, dass die meisten Europäer Israel für das Land halten, welches den Weltfrieden am meisten bedrohe." Das Verhältnis von noch gewisse Zurückhaltung übender Regierungspolitik und "Volkswillen" wird dabei durchaus realistisch eingeschätzt: "Wenn jetzt einige europäische Staaten Israel zu Gefallen erklären, dass sie sich von den Ergebnissen der Meinungsumfrage distanzieren, haben ihre Bevölkerungen ihre Meinung doch frei, objektiv und unabhängig zum Ausdruck gebracht. Sie haben verstanden, welch verborgene Gefahr von der Existenz Israels ausgeht."7 Dass solche Artikel wiederum auf Nazi-Seiten wie dem Störtebeker-Netz oder Altermedia gepostet werden, sei hier nur noch am Rande erwähnt: Der Kreis schließt sich.
Was daraus folgt, hat Jean Améry bereits 1969, in einer für Israel und die Juden und Jüdinnen weltweit wesentlich weniger bedrohlichen Situation formuliert: "Die Forderung der praktisch-politischen Vernunft geht dahin, dass die Solidarität einer Linken, die sich nicht preisgeben will (ohne dass sie dabei das unerträgliche Schicksal der arabischen Flüchtlinge ignorieren muss), sich auf Israel zu erstrecken, ja, sich um Israel zu konzentrieren hat." Für das Schicksal der PalästinenserInnen sind in erster Linie ihre Herrschaftsclique, ihre falschen arabischen und europäischen Freunde sowie aufgrund der breiten Unterstützung des völkisch-antisemitischen Terrors sie selbst verantwortlich zu machen, womit zugleich die Ziele einer Kritik benannt wären, der auch die palästinensischen Opfer des Konflikts und einer immer brutaler formierten jihadistischen Volksgemeinschaft nicht gleichgültig sind.
Jonny
1 Jean Améry: Der ehrbare Antisemitismus, www.antisemitismus.net/antisemitismus/linke/text e/amery.htm
2 Siehe die Artikel "Mein Israel" und "Eine reife Leistung" auf www.matthiaskuentzel.de
3 Natürlich wäre auch die Irak-Politik von Old Europe in diesem Rahmen zu interpretieren.
4 www.pmw.org.il/new/Latestbulletin.html#strangling (Der Text auf der Karikatur bezieht sich auf die EU-Umfrage. Im Übrigen sei ein Blick auf die Homepage von "Palestinian Media Watch" empfohlen: In den offiziellen palästinensischen Medien wird nicht nur ständig antisemitische Hetze verbreitet, sondern auch bereits Kindern der Märtyrertod für Volk, Füher, Vaterland und natürlich Gott als höchstes "Lebensziel" eingebläut.)
5 www.israelnetz.de/show.sxp/israelnetz/5113.html (In der Rede rät er zwar zum Verzicht auf derzeit kontraproduktive terroristische Gewalt, was aber ganz offen als "taktischer Rückzug" bezeichnet wird.)
6 So ließ Bundestagspräsident Thierse wissen, er habe "kein Argument" gehört, das gegen die Beteiligung der Degussa spräche. Wenige Tage nach der Entscheidung, die Degussa auch weiterhin am Holocaust profitieren zu lassen, verkündete die IG Farben, dass sie nun leider pleite sei, weshalb, nachdem jahrzehntelang Vernichtungsprofite an alte Nazis ausgezahlt wurden, die ehemaligen SklavenarbeiterInnen auch in Zukunft nicht "entschädigt" werden. (www.kritischeaktionaere.de) 7 www.memri.de
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KTS VS. TIJUANA NO
Dokumentation des Email-Verkehrs anläßlich der Absage des Tijuana No Konzertes
Zur Diskussion um Tijuana No dokumentieren wir im Folgenden den E-Mailverkehr zwischen R., dem Menschen der das Konzert in der KTS veranstalten wollte und die Stellungnahme des KTS-Plenums weiterleitete und Freddy/Chief, dem Manager der Band:
R.: Hier der Schriftverkehr, den ich mit dem Manager von Tijuana No wegen dieser Antisemitismus-Debatte hatte. Zu lesen ist das ganze chronologisch von unten nach oben! [A.d.S: Ich habe versucht, das alles in die richtige Reihenfolge zu bringen. In den Antworten angehängte und deshalb wiederholte Mails habe ich gelöscht.] Ich denke mal euch wird das als Rechtfertigung nicht reichen, aber ich werde mir keine vier Beine ausreisen, nur dass jetzt diese Band unbedingt in den heiligen Räumen der KTS spielen kann - obwohl ich selbst davon überzeugt bin, dass bei Tijuana No weder Antisemiten noch sonst irgendwelche politische irrläufer spielen - im Gegenteil sehe ich in Tijuana No eine Band die Bock hat in autonomen Zentren zu spielen, da sie hier auf gleichgesinnte trifft.
Hallo Freddy,
wie Du ja weist ist die KTS, wo das Tijuana No Konzert stattfinden soll ein Autonomes Zentrum, Centro Sociale, wie auch immer. Alles läuft dort über ein Plenum - dort habe ich auch den Termin absegnen lassen. Das Problem ist, dass auf diesen Treffen ziemlich viele absolut "Politisch-Korrekte" anwesend sind, und genau diese Leute haben mir nun e-mails geschickt in denen sie Tijunana No als Antisemiten bezeichnen und das Konzert erstmal abgesagt haben!!! Hier die Mails die sie mir geschickt haben - bitte lese dir das mal durch - sprech vielleicht mal mit der Band und antworte so schnell es geht, vielleicht können wir die Angelegenheit noch aus der Welt schaffen. Andererseits höhre ich mich gleich mal um, ob es nicht einen anderen Veranstaltungsort für das gleiche Datum in Freiburg gibt !!
Also Freddy - Scheiss PC-Linke-Betonkoepfe !! Hier die mails von dem KTS-Plenum:
[A.d.S. Bevor ihr euch über fehlende Mails wundert, die KTS hat nur eine geschickt.]
Hallo R., wie du ja erfahren hast, hat die KTS das Tijuana No Konzert abgesagt. Folgend die Erklärung, die du bitte an die Band weiterleitest.
Wir sind das autonome Zentrum KTS in Freiburg (Deutschland). Ihr habt letztes Jahr hier gespielt. Wegen eueres Konzertes in Mexiko am 19. November haben wir folgendes Problem:
Wir haben im Juni in der Internet-Ausgabe des iz3w (www.iz3w.org/iz3w/269/s33.htm) gelesen, dass ihr auf einem Konzert in Mexico folgende Aussage gemacht habt: "Es ist kein Zufall, dass am 11.September im World Trade Center keine Juden anwesend waren".
Wir haben noch einmal beim Autor des Artikels nachgefragt und dieser hat die Richtigkeit der Aussage bestätigt. Wir haben keine Lust auf solche antisemitischen Äusserungen in unserem Haus. In dieser Situation ist es für euch nicht möglich hier zu spielen. Wir hoffen auf eine schnelle Stellungnahme von euch.
Hasta luego KTS
Hallo R.,
wann war das Konzert, wie heißt die Band und wer hat das gesagt? Oder steht es irgendwo im Internet das das die Band geschrieben hat? Es gibt auch Luis Guerena der nicht mehr bei der Band ist und sehr Radikal ist. Könnte sein er war das. Aber wenn man solche Anklagen macht soll man doch ein bisschen mehr Info geben über wann, wo, wer und so weiter. Vielleicht war es nur ein Teil von einer ganzen Konversation. Und dies ist meine persöhnliche Meinung: Es ist nicht, weil man was über Juden sagt, daß es Antisemitismus ist. Ich frage die Band auch mal. Und du kennst den Neuen Sänger Rodrigo. Ich glaube nicht, er hat das gesagt. Es muss Luis Guerena gewesen sein. Der war auf der ersten Tour auch mit Hitlergruss usw. unterwegs. Der macht sowas ständig. Er ist revolutionärer Antikapitalist. Er wollte Bush auch raus usw.
Chief
Hi Freddy,
also der Artikel ist einer politischen Monatszeitung (wird in ganz Deutschland verkauft) aus Freiburg erschienen, eben in der Ausgabe die in dem ersten Mail angegeben war: Juni-Ausgabe des iz3w, unter der Internetadresse: (www.iz3w.org/iz3w/269/s33.htm), kannst du es nachlesen.
Ich habe jetzt gehört, daß es ein Büro der israelischen Regierung (oder so) im World Trade Center gab, die eine Woche vor den Anschlägen ausgezogen sind - daraus haben irgendwelche Autoren eine Verschwörungstheorie des Mossad gebastelt - wahrscheinlich hat - welcher Sänger auch immer genau das aufgeschnappt und ... . Also freddy - was soll ich denn jetzt den Nasen von der KTS sagen???
Hi R.,
sag ihnen, der Typ der das gesagt hat, Luis Guerena, ist nicht mehr der heutigen Sänger von Tijuana No weil er zu extrem war. Soll eine Lehre sein für alle Extremisten weltweit. Auch den Linken. Sag ihnen, die heutige Band ist gar nicht rassistisch.
Chief
Shalom Kts,
das hat mir der Manager von Tijuana No geschickt:
Hier ist Alex [A.S. Ein Bandmitglied von Tijuana No] Antwort über das Tijuana No Konzert:
Secondly, we don’t no nothing about that, we are not anti semites or anti jews, luis guerena who resigned as tijuana no before the tour last year hasn’t been with us, he is no longer a member of the band and whatever he says he is responsable, we dont like to say things that we don’t feel to tell people, we come on a good vibe and nothing political, now we like to play music make people enjoy the music.
Mehr kann man da nicht machen.
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"DIE JUDEN" ALS GELDGIERIGE VOLKSSCHÄDLINGE UND KOMMUNISTISCHE VERBRECHER"
Noch ein Beitrag zum Thema Antisemitismus
Wie durch die Hohmann-Debatte der Rassebegriff der Nazis etabliert wird
Bislang konnten antisemitische Stereotype in den Diskussionen um das Selbstverständnis der Berliner Republik nur geäußert werden, wenn sie codiert waren, sich also nicht offen gegen "die Juden" als solche richteten. Mit dem erwachenden Nationalismus, den die Wiedervereinigung auslöste, begann die Hochphase des sekundären Antisemitismus. Dieser speist sich vor allem daraus, daß die Juden an die Untaten der Vergangenheit erinnern und damit den Stolz auf deutsche Geschichte verhindern. Verstand die Öffentlichkeit sehr gut, was gemeint war, wenn von der "Auschwitzkeule" (Walser), dem "israelischen Vernichtungskrieg" (Karsli/ Möllemann) oder der Legitimität palästinensischer [Selbst-]Mörder (Honderich/ Habermas) schwadroniert wurde, so gewinnt der gesellschaftsfähige Antisemitismus eine neue Qualität, indem die Rede des CDU-Bundestagsabgeordneten Hohmann ernsthaft diskutiert wird. Seine Ansprache am 3. Oktober 2003 enthält dermaßen eindeutig den nationalsozialistischen Begriff "der Juden" als rassisch homogenem "Volk" samt dazugehörigen verschwörungstheoretischen Stereotypen, daß erst ein starkes öffentliches Bedürfnis eine Debatte initiieren mußte, um den Wahn wieder zur Meinung zu qualifizieren. Nicht einmal der Bezug auf Henry Fords antisemitischen Klassiker "Der internationale Jude" kann die Verfechter der Meinungsfreiheit irritieren. Es versteht sich von selbst, daß Hohmann nicht den Jargon der Nazis spricht, indem er "Volk" sagt, wenn er "Rasse" meint und ohne positive Merkmale der Deutschen auskommt. Aber zweifellos geht es ihm darum, mit dem Gegensatz von "Deutschen" und ihrem Negativ, dem "Dämon des ewigen Verneinens" (Alfred Rosenberg), eine zeitgemäße Formulierung des Konstituens nationaler Identität zu liefern: "Die Juden sind unser Unglück" ist die unausgesprochene Botschaft seiner Rede, die auch so verstanden wird.
Hohmann bemüht das Stereotyp vom jüdischen Schmarotzer am Volkskörper, der für den Kapitalismus verantwortlich sei, indem er die schlechte Lage des Bundeshaushalts mit der Entschädigung jüdischer KZ-Überlebender verknüpft: "Dafür müssen die Deutschen den Gürtel halt noch ein wenig enger schnallen," obwohl "das deutsche Volk (...) sich in einer einzigartigen, schonungslosen Weise mit [den Verbrechen der Hitlerzeit] beschäftigt, um Vergebung gebeten und im Rahmen des Möglichen eine milliardenschwere Wiedergutmachung geleistet hat." Damit ist für ihn Auschwitz beglichen, die Deutschen werden zur verfolgten Unschuld und es kann nach jüdischen Verbrechen gefragt werden: "Gibt es auch beim jüdischen Volk (...) eine dunkle Seite in der neueren Geschichte?" Dazu setzt er die Auslöschung der europäischen Juden mit Ereignissen in der russischen Oktoberrevolution gleich und führt den Umstand an, daß in dieser überproportional viele "Juden" in wichtigen Positionen gewesen seien, weswegen man Juden mit "der gleichen Logik" wie Deutsche als Tätervolk bezeichnen könne. Man merkt an der Absurdität dieser Konstruktion wie sehr der Christdemokrat dazu getrieben wird, ein jüdisches Wesen zu unterstellen, unter das er die in Sobibor Vergaste und den russischen Revolutionär subsumieren kann. Es gibt für ihn keine Individuen, sondern eine zur ontologischen Einheit verschmolzene Masse, "das Volk", worin die einzelne Person unmittelbar das allgemeine Wesen verkörpert. Haben die Deutschen im "3. Reich" durch ihre faktische Teilnahme am NS-Staat die Volksgemeinschaft Realität werden lassen, so eint die als Juden definierten Menschen allein ihre Verfolgung durch die Nazis. Viele der Ermordeten waren überhaupt nicht religiös, sondern hatten lediglich jüdische Vorfahren, zudem waren die in der Diaspora lebenden Juden nicht Bürger eines Staates, hatten noch nicht einmal eine gemeinsame Sprache. Über die jüdischen Bolschewisten urteilt er: "Sie waren nach Herkunft und Erziehung Juden, von ihrer Weltanschauung her aber meist glühende Hasser jeglicher Religion." Was macht aber den Juden, der diese Religion nicht praktiziert, der vielleicht nicht einmal weiß, daß er jüdische Vorfahren hatte, zum "Juden"? Es ist allein die nationalsozialistische Definition der Rasse, die nach Abstammung entscheidet, ob jemand ein Ausdruck des jüdischen Wesens oder ein Mensch ist. Die Vernichtung ist darin bereits angelegt, denn im antisemitischen Bewußtsein werden auf jeden Juden wahnhaft die Probleme der kapitalistischen Moderne projiziert und so in konformistischer Rebellion diese minoritäre Gruppe für die verkehrten gesellschaftlichen Verhältnisse der Gesellschaft verantwortlich gemacht. Mit der Auslöschung dieser zum "negativen Prinzip" halluzinierten Gruppe sollen alle Schwierigkeiten beseitigt werden.
Die Debatte ist als Verbindung von sekundärem und rassischem Antisemitismus ein Wendepunkt in der bundesrepublikanischen Geschichte. Die politische Klasse hat derzeit ohne daß es eine wirkliche Krise gibt - große Probleme damit, ein Überschwappen des Ressentiments zu verhindern, was auch die vielen Proteste gegen den Ausschluß Hohmanns aus der CDU zeigen. Wie sich dessen Leitspruch "Gerechtigkeit für Deutschland, Gerechtigkeit für Deutsche" realisieren soll, ist noch unklar, ebenso ob zuerst in Israel oder doch vor heimischen Synagogen. Aber nach Auschwitz kann es keine Zweifel mehr geben, worauf Judenhaß nicht nur in Deutschland zielt.
Florian Bauernfeind (email: bauernfeindf(-at-)web.de)