Mit dem Jahr 2011 geht ein weiteres Jahr gezielter Repression gegen linke Strukturen und Freiräume zu Ende. Die Repression gegen die Räume, in denen Kultur und Politik von unten gelebt und organisiert werden, ist jedoch nur eine Randnotiz angesichts der repressiven Natur des derzeitigen Gesellschaftssystems. Wir wollen uns unsere Stimme nicht nehmen lassen! Als Betroffene von staatlicher und rechter Gewalt wollen wir in Solidarität mit allen Opfern ebendieser auf die Straße gehen. Am Donnerstag, den 22. Dezember, werden wir uns um 18 Uhr auf dem Freiburger Rathausplatz treffen, um eine entschlossene Kundgebung gegen rechte Gewalt und Repression durchzuführen.
Dorfnachrichten – immer wieder die selbe Scheiße
Bereits im Vorfeld der Räumung des Wagenplatzes Kommando Rhino im August griff die Stadt Freiburg und ihr ausführendes Organ Protestaktionen für den Erhalt und Aufbau von alternativen Strukturen an. Immer wieder wurden Aktivist_innen, die sich für ein selbstverwaltetes Leben engagieren, kriminalisiert - sei es durch die Räumungen zuvor besetzter Häuser in Herdern und der Wiehre, Vorkontrollen und Aufenthaltsverbote bei Demonstrationen oder die gewaltsame Beendung ebendieser durch die Bullen.
Die Gewalt eskalierte mit der Räumung der Wagenburg Kommando Rhino in der Nacht auf den dritten August. Mit über 1000 Bullen ließ die Stadt Freiburg einen zwei Jahre bestehenden Freiraum räumen, es folgten massive Repression und eine mediale Hetze gegen der linken Szene zuzuordnenden Personen. Die bürgerliche Presse unterstützte mit ihren Anschuldigungen und ihrer Hetze die Linie der Freiburger Stadtregierung, die linke Projekte und Strukturen gezielt verfolgte.
Die aufgeheizte Stimmung nach der Räumung nutzten die Freiburger Bullen, um weitere Projekte anzugreifen: Es folgten Razzien in der KTS, dem Autonomen Zentrum, und im besetzten Haus in der Gartenstraße 19 – und anlässlich des Papstbesuchs des Septembers auf dem Wagenplatz der Schattenparker. Der Versuch, durch eine Besetzung an der Zähringerstraße, einen Platz für eine neue Wagenburg zu finden, endete mit einer unrechtmäßigen Beschlagnahme von vier Wagen. An der Langemarkstraße stehende WäglerInnen wurden von der Exekutive vertrieben und ein Wagen, der auf dem Waldorfsschulgelände in St-Georgen stand, wurde ebenfalls im Zusammenhang mit der Räumung des Kommando Rhino durchsucht. Nach wie vor soll politisch engagierten Gruppen, die für Wohnraum und Selbstbestimmung aktiv sind, kein Platz gegeben werden.
Doch nicht nur in Freiburg wird massiv gegen die Linke Szene gehetzt und durchgegriffen. Auch überregional ist ein anti-linker Trend zu beobachten. – so werden Freiräume in Heidelberg, Hamburg, Berlin und Köln bedroht und teilweise geräumt. Das Jahr begann mit der spektakulären Räumung des Wohnprojektes Liebig 14 in Berlin durch 2.000 Bullen. Eine Hausbesetzung der AZ-Initiative in Heidelberg wurde brutal beendet und in Köln bangt das seit April 2010 besetzte Autonome Zentrum um seine Existenz. Auch die besetzte „Rote Flora“ in Hamburg und einer der dortigen Wagenplätze „Zomia“ sind existenziell bedroht. Die alles geschieht in einem Kontext der allgegenwärtigen sogenannten „Aufwertung“ von ökonomisch interessanten Gebieten. Tatsächlich sind es Verdrängungsmechanismen, die alle treffen, die sich nicht der kapitalistischen Verwertungslogik unterwerfen können oder wollen. Der Kampf gegen Strukturen die es zumindest versuchen solidarische Gegenentwürfe zu organisieren und umzusetzen ist eine logische Konsequenz staatlicher Arroganz und rechter Gewalt, die allzuoft Hand in Hand gehen.
Überwachung, Spitzelei und Crowd-Control
Wir sehen uns zunehmend mit einem ausufernden System staatlicher Überwachung und struktureller Gewalt konfrontiert. Wenn wir heute protestieren, dann wegen der alltäglichen Ungerechtigkeit, die der Staat und sämtliche rechte Organisationen Tag für Tag vorantreiben. Die Unsäglichkeit der repressiven Überwachung und Durchleuchtungsversuche linker Strukturen kannte auch im Vergangenen Jahr neue Höhepunkte die wir nicht verschweigen können.
Begonnen sei mit den fortwährenden Anquatschversuchen von deutschen Geheimdiensten, was von allen regierenden Parteien Rückendeckung bekommt. Einzelpersonen werden unter Druck gesetzt und mit Geld und Karriereaussichten zum Verrat gedrängt, um Einblick in „staatsgefährdende“ Zusammenhänge zu gewinnen. Dabei liegt ein Schwerpunkt nicht etwa bei der effektiven Bekämpfung rechter Strukturen, besonders antifaschistische und antirassistische Initiativen geraten ins Visier der Behörden.
Der Fall des in Heidelberg in studentische Strukturen eingeschleusten Bullen Simon Brenner machte zu Beginn des Jahres Schlagzeilen. Doch auch die neue Regierung hüllt sich in Schweigen im Bezug auf anti-antifaschistische Schnüffelei und will weder V-Leute noch Spitzel aus linken Strukturen abziehen. Auch die flächendeckende Überwachung der Mobiltelefone von Antifaschist_innen während der Proteste gegen den Naziaufmarsch in Dresden und die darauf folgenden bundesweiten Razzien und Verfahren nach §129 sprechen Bände über die politische Motivation der Bullen und ihrer HelferInnen.
Auch in technischer Hinsicht tut sich viel zugunsten der Repressionsorgane und des staatlichen und wirtschaftlichen Herrschaftsanspruchs. Die fortschreitende Vernetzung von Datenbanken und völlig ungehemmte Sammelwut von Informationen über die vermeintliche Beschaffenheit der Bevölkerung soll die Lenkbarkeit und Kontrolle unliebsamer sozialer Strömungen erleichtern.
Derweil ist eine „zivilgesellschaftliche“ Gegenbewegung eher in der Deckung, wie beispielhaft die mangelhafte Auseinandersetzung mit dem 2011 durchgeführten Zensus zeigt. Auch Proteste gegen die andauernde „Vorratsdatenspeicherung“ sind abgeflaut.
Umgesetzt wird diese Überwachungsmacht z.B,alljährlich im Wendland. Die Zwischenendlager-Region um Gorleben wird hier regelmäßig von Zehntausenden staatlicher Schergen aufgesucht um die Massenproteste gegen den Atomstaat zu „befrieden“. Dies bedeutet die gewaltsame Räumung von Blockaden und die versuchte Kontrolle beteiligter DemonstrantInnen. Das wöchentlich im kleinen bei der Kontrolle von Sport-Events praktizierte „Crowd-Control“ kann anlässlich solcher Proteste im großen geübt werden. Die staatliche Aufstandsbekämpfung findet präventiv statt und soll neben der Demonstration ungehemmter recht(lich)er Macht auch einschüchternd und entmächtigend wirken. Begründet werden diese unsäglichen staatlichen Rechtsbrüche mit der „Gefährdung rechtsstaatlicher Ordnung“.
Nazis morden, der Staat macht mit
Seit dem im November 2011 bekanntgewordenen Skandal um die seit fast 10 Jahren ungehemmt rassistisch mordenden Nazi-Terrorzelle NSU herrscht plötzlich große Betroffenheit und Ratlosigkeit, ob der Frage wie es denn möglich sei, dass (rechtsextreme) Terroristen so lange unentdeckt morden und sich organisieren konnten. Tatsächlich verschließt der deutsche „Rechtsstaat“ seit Jahren die Augen vor Rechter Gewalt, und leugnet die Existenz faschistischer und rassistischer Gruppierungen. Regionale Nazi-Strukturen werden von den örtlichen Behörden geleugnet, verharmlost oder sogar gedeckt.
Als im Oktober in der Nähe von Freiburg ein junger Antifaschist von dem regional bekannten Nazi Florian Stech angefahren und beinahe ermordet wurde, blieb eine Reaktion der Behörden aus. Stech habe aus „Notwehr“ gehandelt – dass Stech zuvor und in Folge des Mordversuches mehrfach Gewaltandrohungen gegen Antifaschist_innen geäußert hatte wurde weitestgehend verschwiegen. Stattdessen wurden darauffolgende Proteste, die rechte Gewalt thematisierten und gegen den für den 22. Oktober in Offenburg angekündigten Nazi-Aufmarsch mobilisierten, massiv durch Bullen angegriffen und die antifaschistischen Aktivist_innen selbst als potentielle Gewalttäter_innen abgestempelt.
Im Bericht des Verfassungsschutzes und auch in der öffentlichen Debatte, die auf die Entdeckung der Zwickauer Zelle folgte, diskutieren Politiker_innen und Polizeibeamt_innen vermehrt linksradikale Antifaschist_innen und Faschist_innen in einem Atemzug. Links- und Rechtsextremismus seien Symptome, die den selben Ursprung hätten und deren Auswirkung vergleichbar wären – und die dementsprechend bekämpft werden müssen. Anders als bei „den Linksextremen“ sei bei den Rechten allerdings weniger Gewaltbereitschaft zu erkennen. Statt Rechte Gewalt zu thematisieren, bekämpft die Exekutive lieber die sogenannten Linksextremen, und duldet weiterhin rechten Terror.
Dieser geht allerdings nicht nur von Einzelpersonen oder „terroristischen“ Gruppierungen aus. Offen rassistische Übergriffe bekennender Nazis finden einen Nährboden alltäglicher Rassismen. Ein positiv-belegter Nationalbegriff ist seit der Fußball WM 2006 wieder gesellschaftsfähig. Das Bezugnehmen auf Begriffe wie „Volk“ und „Nation“ bedeutet per se Ausgrenzung, eine Trennung eines konstruierten „wir“s von den „Anderen“. Dieser Volkstümelei wird die wachsende Angst vor einer Überfremdung der Gesellschaft durch Einwanderung entgegengesetzt, die Fremdenhass und Rassismus schürt. Fremdenangst und Ausgrenzung werden in Gesetzen festgeschrieben und durch die Exekutive umgesetzt. Der „Deutsche Einheitsstaat“ war und bleibt strukturell diskriminierend und rassistisch. Nazis Morden – der Staat schiebt stillschweigend ab. Die Beamten, die den Tod Oury Jallohs zu verantworten haben, werden vom Gericht freigesprochen und gedeckt. Der in Deutschland nur geduldete war 2005 in seiner Zelle in Dessau, Sachsen Anhalt, verbrannt.
Repression und rechte Gewalt trifft uns alle. Kommt am Donnerstag, 22. Dezember, um mit uns auf dem Freiburger Rathausplatz eine entschlossene Kundgebung durchzuführen.
Strukturell bedingt – Rechts ist wo der Staat beginnt
Geheimdienste auflösen!
Linke Strukturen verteidigen, hier und überall!