Mobi-Video: http://www.youtube.com/watch?v=0VLnjP1Ey-c
„Freiburg ist so teuer, weil es attraktiv ist, sorry, das ist eben Marktwirtschaft“ (Badische Zeitung vom 18. April 2011). So sieht der grüne Oberbürgermeister Salomon „seine“ Stadt.
Doch in einer marktwirtschaftlich organisierten Stadt ist kein Platz für alle: Der öffentliche Raum wird kommerzialisiert und überwacht, der Nahverkehr wird teurer, Mieten steigen und Menschen mit geringem Einkommen werden an den Stadtrand oder ins Umland verbannt. So greift das Prinzip der Verdrängung, wissenschaftlich auch Gentrifizierung genannt, um sich: Studis, Azubis, Alleinerziehende, Renter_innen, Migrant_innen, Alternative und Hartz IV-Empfänger_innen müssen in Freiburg ebenso wie in anderen Städten den Besserverdienenden weichen.
Immobilienmakler_innen, Grundstücksbesitzer_innen, Vermieter_innen, Stadtverwaltung, Stadtbau und die schwarz-grüne Gemeinderatsmehrheit sorgen mit Bebauungsplänen, Verkauf und Luxussanierung für den reibungslosen Ablauf der „Aufwertung“ und für die daraus resultierende Verdrängung. Wo sich die Menschen dieser Entwicklung nicht fügen, folgt juristische und polizeiliche Gewalt. Ökologische Maßnahmen werden derweil gegen soziale Bedürfnisse ausgespielt, wenn Gebäude als Wohlfühlprodukte vermarktet werden, wie es sich in den zahlreichen neu gebauten oder voll sanierten Passiv-Häusern wiederspiegelt. Durch die ständigen Mieterhöhungen, die viel zu niedrigen Löhne und Hartz IV-Sätze entsteht eine ständige Angst vor dem Verlust der Wohnung. Die Lebensqualität in der „Wohlfühl-Green City“ hängt vom Geldbeutel ab. Green City - ein Blendungsversuch „Green City“ hat sich als positiv besetztes Schlagwort innerhalb kurzer Zeit eingebürgert. Der Begriff ist Teil einer Marketing-Kampagne um Freiburg als vorbildlichen „Ökostandort“ in der Städtekonkurrenz zu positionieren. Alle, die es sich leisten können auf der neuen grünen Welle zu surfen, sollen angezogen werden: Akademiker_innen, Unternehmen, Investor_innen und Tourist_innen. Mit der „Green City“ ist letztendlich der Ansatz eines „grünen Kapitalismus“ gemeint, dessen Prinzip der Gewinnmaximierung dennoch im Gegensatz zu den Bedürfnissen der Menschen steht. Auch ein „grüner Kapitalismus“ basiert auf Wachstum und Verdrängung. Eine sozial-ökologische Perspektive muss dagegen ein Ende der Wachstumsideologie und einen freien Zugang zu allen gesellschaftlichen Ressourcen (wie z.B. Wohnraum, Nahverkehr, Bildung, Gesundheit, Lebensmittel, ...) beinhalten. Verdrängung aktuell Der Wohnungsmarkt orientiert sich an Verwertungsinteressen und nicht an den Bedürfnissen der Menschen. Eine zur Spekulation leerstehende Wohnung ist häufig lukrativer, als ihre günstige Vermietung. Während in Freiburg gegenwärtig hunderte Wohnungen leerstehen, sind etwa 700 Menschen wohnungslos. Doch auch diejenigen, die in einer Wohnung wohnen, sind Verdrängungsprozessen ausgesetzt. Aus der Vielzahl der aktuellen Ereignisse in Freiburg wollen wir drei Beispiele herausgreifen.
Im Quartier westlich der Merzhauser Straße, welches bis jetzt noch Bewohner_innen quer durch alle sozialen Schichten beherbergt, werden gegenwärtig Miet- in Eigentumswohnungen umgewandelt. Der Stadtteil liegt relativ nahe an der Innenstadt und wird inzwischen für ein finanzstarkes Klientel attraktiv. Während die hier beteiligten Immobilienfirmen aus den Häusern einen höheren Profit erwirtschaften wollen, müssen die heutigen Bewohner_innen weichen. Diese Verdrängung geht mit einer symbolträchtigen Geste einher: Balkone an den Gebäuden werden nur den finanzstarken Haushalten zur Verfügung gestellt, Zäune quer durch Grünflächen zeigen ganz sinnbildlich den Ausschluss aus zuvor öffentlichem Raum. Am Beispiel des Quartiers lassen sich auch die schleichenden Prozesse der Gentrifizierung beobachten: die aktuell dem Verdrängungsprozess ausgesetzten WGs, in denen mehrheitlich Studierende wohnen, waren ihrerseits die (ungewollten) „Gewinner“ der Verdrängung von Migrant_innen und Hartz IV-Empfänger_innen. Ein Mangel an günstigem Wohnraum führt dazu, dass finanzschwache Gruppen gegeneinander ausgespielt werden. Die Auseinandersetzung um den Wagenplatz „Kommando Rhino“, die zuletzt in der lokalen Presse hohe Wogen geschlagen hat, zeigt eine weitere Seite städtischer Verdrängung. Der „umkämpfte“ Platz M1 stellt das Tor zum Vauban dar, ein Stadtteil, der in der „Green City“-Propaganda eine hervorgehobene Rolle spielt. Hier treffen ganz direkt grüne Verwertungsinteressen (Hotel-, Gewerbe- und Wohnraum im Sinne des „Green Business“) auf nicht-kommerzielle, alternative Wohnformen. Bauwagenleben als eine günstige, ökologische und mobile Alternative zum Wohnen in Häusern bekommt in Freiburg nicht den Raum, der allen anderen immobilen Wohnformen zugestanden wird. Frei nach dem Motto: Prekär Wohnen ja, aber dann bitte renditeträchtig zur Miete.
In der Johann-Sebastian-Bachstraße in Herdern und im Metzgergrün im Stühlinger spielen sich gerade – obwohl in zwei geradezu gegensätzlichen Stadtteilen gelegen – ähnliche Szenarien ab: Gebäude, die bislang der Stadtbau gehören und so formell dem Anspruch an soziales Wohnen genügen sollen, werden saniert und privatisiert, um höhere Gewinne zu garantieren. Hier tritt die Stadt direkt als Akteurin in Erscheinung und treibt die Verdrängung voran.
Die Mittel der Verdrängung sind vielseitig: Nicht geöffnete Balkon-Zugänge, Zäune quer durch zuvor gemeinschaftlich genutzte Gärten, Kinderspielverbote in Grünanlagen, Luxussanierungen, Mieterhöhungen, Kündigungen, Abfindungszahlungen bis hin zu gewaltsamen polizeilichen Räumungen resistenter Bewohner_innen. Zwang besteht immer. Es hängt nur vom Widerstand der Bewohner_innen ab, ob die „unsichtbare Hand des Marktes“ im Stillen agieren kann oder ob Konflikte wie die spektakuläre Räumung einer Wagenburg oder ein Bürger_innen-Entscheid um den Verkauf Städtischer Wohnungen öffentlich ausgetragen werden. Die Akteure der Verdrängung Die aktuelle Entwicklung in Freiburg kann eingeordnet werden in die Idee der „Unternehmerischen Stadt“. Städte mit ihren sozialen Funktionen werden der Marktwirtschaft unterworfen – und dieser Prozess mit Marketing-Kampagnen begleitet, um den Bewohner_innen trotz faktischem Ausschluss weiterhin eine Identifizierung mit „ihrer“ Stadt („Green City“) zu ermöglichen. In Zeiten der Wirtschaftskrise wird viel Geld in sogenanntes „Betongold“ (Häuser) investiert. Um Gewinn zu erwirtschaften muss der Wert der Häuser gesteigert werden, was den Prozess der Verdrängung verstärkt. Die Immobilienmakler_innen und Grundstücksbesitzer_innen versuchen ihre Profite zu maximieren. Stadtverwaltung, Gemeinderat und Polizei sorgen dafür, dass ihnen dabei keine Steine im Weg liegen. Denn in der Standortkonkurrenz um die investitionsfreundlichste Stadt möchte Freiburg ganz vorne liegen. Diesem Vorhaben fällt eine soziale Stadtpolitik zum Opfer. In der Analyse können wir uns also dem Oberbürgermeister nur anschließen: das ist eben Marktwirtschaft... Die Konfliktlinie verläuft an genau dieser Frage: wollen wir eine Stadt der Rendite oder eine Stadt entsprechend der Bedürfnisse ihrer Bewohner_innen? Beides zusammen gibt es nicht – auch wenn die Idee der „Green City“ es uns vormachen will. Der grüne Kapitalismus ist eine Lüge! Wem gehört die Stadt? Was in Freiburg passiert, geht alle an. Die Umstrukturierung der Stadt darf nicht eine Sache von Kapitalinteressen sein, sondern muss sich an den Bedürfnissen aller Bewohner_innen orientieren. Dafür brauchen wir organisierte Mieter_innen-Zusammenschlüsse, Freiräume für unkommerzielles Wohnen und Leben, Soziale Zentren und basisdemokratische Stadtteilorganisation. Wir brauchen Platz und Gelegenheiten für gemeinsame Treffpunkte, Diskussionen, Feste und Kulturveranstaltungen. Orte an denen nicht schon im Vorhinein festgelegt ist, wie wir uns zu verhalten haben. Orte an denen kein ökonomischer Druck und keine autoritäre Aufsicht existiert. Orte für die in einer „Green City“ kein Platz ist: Räume für Nachbarschaftstreffen, offene Gärten, nicht-eingezäunte Spielgelegenheiten für Kinder, soziale Zentren, Wagenplätze...
Das Recht auf Stadt wird nicht verschenkt - wir müssen es uns erkämpfen. Wir lassen uns nicht verdrängen - Freiburg muss Risikokapital werden!
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