Eigentlich wäre ja alles klar und im Prinzip scheint’s recht einfach.
Die Maxime, dass sexistisches Verhalten
innerhalb wie auch immer linker/autonomer Strukturen und Räumlichkeiten nicht
geduldet wird, gehört seit langem zu den
unumstrittenen Grundsätzen ,,der Szene".
Soweit die Theorie. In der Praxis sieht
das bedauerlicherweise anders aus.
Dabei soll es an dieser Stelle noch nicht
mal um die wirklich schwierigen Fragen
von Uneindeutigkeit, Definitionsmacht,
Verengung auf Täter/Opfer-Perspektive
usw. gehen. Wo diese Fragen berührt
werden, zeigt sich in der Regel sehr
schnell, wie brüchig der vermeintlich sichere Konsens des Antisexismus tatsächlich ist.
Umso schlimmer ist es, dass selbst in
Fällen, die total unstrittig sein dürften,
häufig erst sehr spät oder gar nicht eingegriffen wird.
So zum Beispiel auf dem Konzert, das im
Rahmen der I can’t relax in deutschland-Veranstaltung am 7.10 stattgefunden hat.
Es mag nicht immer einfach sein, zu bestimmen wo die Grenze liegt, die ein konsequentes Eingreifen rechtfertigt. Gehört
dazu schon ein mackerhaftes Tanzverhalten, ist der Punkt dann erreicht, wenn die
erste Person sich so gestört fühlt, dass sie
lieber die Tanzfläche verlässt oder wenn
mehrere genervt mit den Augen rollen?
Das alles kann wie gesagt strittig
sein. Schon beim großartigen Auftritt von
TGV passierte das, was zu erwarten war:
Einige Typen kamen offenbar nicht damit
klar, dass da drei Frauen ganz ohne Männeraufsicht auf der Bühne stehen und
rocken. Als die Sängerin dann auch noch
auf die Idee kam, Ansagen zu machen,
wurden Sprüche wie ,,Weiterspielen, Muttis!" gerufen, im Übrigen wurde die Band
mit einer Mischung aus Schmunzeln und
Staunen angegafft.
Eine Band mit Frauen genauso ernst zu
nehmen und gut oder auch schlecht zu
finden wie die leider normale! Männergruppe, das überfordert auch in der
KTS offensichtlich Viele.
Ganz sicher war die Grenze dann beim
Auftritt von Räuberhöhle überschritten,
als eine Gruppe Typen neben der Bühne
stand und aus vollem Halse ,,Ausziehn,
Ausziehn" brüllte.
Das wurde zwar von vielen als unmöglich
wahrgenommen, allerdings konnte sich
wohl noch keineR so richtig zum Handeln
entschließen. Die Schwelle war erst in
dem Moment erreicht, als dieselben Typen
es für nötig hielten, mit den phallus-ähnlichsten der von Räuberhöhle verteilten
Luftballons eine kleine Penis-Performance zu improvisieren und die Sängerin
massiv anzumachen.
Dieser Vorfall ist ein sehr eindeutiges
Beispiel und trotzdem auch geeignet,
noch einmal auf die Problematik hinzuweisen.
Mackerhaftes Verhalten auch wenn es
nicht immer solche Ausmaße annimmt
ist auf Partys und Konzerten in der KTS
nicht die Ausnahme, sondern die Regel.
Da hilft auch der schönste Konsens wenig.
Das einzige, was hier helfen kann, ist gegen solches Verhalten immer und immer
wieder vorzugehen, auch wenn das ebenso ermüdend wie nervig ist. Dabei geht es
nicht nur darum, Leute in Extremfällen
rauszuschmeißen, sondern vor allem
auch in weniger extremen oder eindeutigen Situationen darum, Leute anzusprechen und sexistisches Verhalten zu thematisieren.
Sexistisches Verhalten nicht zu dulden
erfordert leider immer noch mehr, als
sich zu diesem Grundsatz zu bekennen.
Nur wenn dieses Thema dauerhaft und_
konsequent auf Partys und Konzerten verfolgt wird, wird sich hoffentlich irgendwann die Einsicht durchsetzen, dass bestimmte Verhaltensweisen in der KTS tatsächlich nicht geduldet werden.
Und dabei wären das nicht mehr als Minimalbedingungen.
Wie viele Hindernisse der aktiven und
gleichen Beteiligung von Frauen in allen
Bereichen etwa als Musikerinnen entgegenstehen, hat am 16.10. ein Vortrag
von Yvonne Wolz gezeigt, die über Geschlechterverhältnisse in der Punk-/Hardcore-Szene gesprochen hat.*
Die Probleme sind wie könnte es auch
anders sein ähnlich wie in der gesamten
Gesellschaft: krasse Männerüberzahl, Rollenklischees, mangelnde Bereitschaft, das eigene Verhalten zu reflektieren, kein Interesse an feministischer Kritik...
Und vor allem fehlt es an Aktivitäten, Strukturen,
Regelungen usw., die positiv dazu beitragen, dass
Frauen in allen Bereichen aktiv sein können, daß
,,Geschlecht" letztlich irgendwann keine Rolle mehr
spielt. Hier sind nicht nur die VeranstalterInnen
oder das Plenum oder die anderen gefragt, hier ist
jede und jeder aufgefordert, etwas zu tun.
Und weil das alleine oft schwierig ist, schließen wir
uns dem Fazit von Yvonne Wolz an: BILDET BANDEN!
Einige KonzertbesucherInnen
*Wir haben eine Aufzeichnung der Veranstaltung online gestellt hört sie euch an! http://rapidshare.de/files/6435334/Wolz.mp3.html