Nachdem im Oktober bereits Claude Lanzmanns bekanntester Film Shoah im Kommunalen Kino zu sehen war, setzen wir die Reihe mit den Filmen Sobibór, 14. Oktober 1943, 16.00 Uhr und Tsahal fort, die beide eng mit Shoah zusammenhängen.
Claude Lanzmann, geboren 1925, schloß sich als Gymnasiast der Résistance an und kämpfte später unter anderem in der Auvergne im Untergrund. 1947 dissertierte er in Philosophie (über Leibnitz) und unterrichtete danach an der FU Berlin. In den 50er Jahren gehörte er zum engen Freundeskreis um Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir, wurde Mitarbeiter, später Herausgeber der Monatszeitschrift Les Temps Modernes; sein Engagement gegen die französische Politik in Algerien fand 1970 in seiner ersten Filmarbeit (dem Drehbuch zu ,,Elise ou la vraie vie" von Michel Drach) auch künstlerisch Ausdruck. Seitdem ist er hauptsächlich als Filmemacher aktiv und als solcher insbesondere für seine ästhetische Strenge und methodische Kompromißlosigkeit bekannt.
Gemeinsam ist den Filmen Sobibór und Tsahal, daß sie ausgehend von ihrem jeweiligen Gegenstand um ein Thema kreisen, das in Shoah nur am Rande vorkommt und das, besonders in Deutschland, noch immer verdrängt und abgewehrt wird: Den ,,Mut und Heroismus" des jüdischen Widerstandes, die ,,Wiederinbesitznahme der Gewalt durch die Juden" (Lanzmann). Sobibór handelt vom einzigen erfolgreichen Aufstand, den es in einem Vernichtungslager gegeben hat und besteht im wesentlichen aus einem Gespräch mit Yoshua Lerner, der ,,heldenhaften Symbolfigur des Aufstandes", das Lanzmann bereits 1979 bei den Aufnahmen zu Shoah drehte. Lerners gesamte Familie wurde in Treblinka ermordet, ihm selbst gelang innerhalb von sechs Monaten die Flucht aus acht Arbeitslagern, bis er schließlich nach Sobibór kam. Bei dem sorgfältig vorbereiteten Aufstand gelingt 300 Menschen die Flucht, etwa 60 davon werden das Ende des Krieges erleben.
Wie schon in Shoah verwendet Lanzmann auch in Sobibór weder Originalaufnahmen, noch versucht er, die Vergangenheit als Spielfilm nachzustellen. Er wendet sich damit entschieden gegen die üblichen Dokumentationen und Spielfilme wie Schindlers Liste oder Die Grauzone oder auch Alain Resnais bekannten Dokumentarfilm Nacht und Ne- bel, die mit dem Versuch, das Geschehen in den Lagern in Bildern zu zeigen, notwendig scheitern müssen und dadurch das Grauen letztlich verharmlosen. Dennoch ist Sobibór ein Film, der für Lanzmann im Gegensatz zu Shoah dem Publikum Identifikation erlaubt: ,,Lerners Tat verkörpert das Recht und die Pflicht zu töten." Lanzmann beschreibt Lerner als einen Juden, ,,der darauf bestanden hat, wieder ein Subjekt zu werden und gegebenenfalls als Subjekt zu sterben" und stellt damit auch den Zusammenhang mit Tsahal her: ,,Was er erzählt und wie er als Mensch, der zuvor nicht einmal daran ge Grauzone oder auch Alain Resnais bekannten Dokumentarfilm Nacht und Ne- bel, die mit dem Versuch, das Geschehen in den Lagern in Bildern zu zeigen, notwendig scheitern müssen und dadurch das Grauen letztlich verharmlo- sen. Dennoch ist Sobibór ein Film, der für Lanzmann im Gegensatz zu Shoah dem Publikum Identifikation erlaubt: ,,Lerners Tat verkörpert das Recht und die Pflicht zu töten." Lanzmann beschreibt Lerner als einen Juden, ,,der darauf bestanden hat, wieder ein Subjekt zu werden und gegebenenfalls als Subjekt zu sterben" und stellt damit auch den Zusammenhang mit Tsahal her: ,,Was er erzählt und wie er als Mensch, der zuvor nicht einmal daran gedacht hatte, jemanden zu töten, zur Waffe greift, hat auch sehr viel mit den dacht hatte, jemanden zu töten, zur Waffe greift, hat auch sehr viel mit den Wurzeln des heutigen jüdischen Staates zu tun."
Tsahal, ein Film über Israel und die israelische Armee (Tsava Haganah Leisrael = Armee zur Verteidigung Israels) entstand zwischen 1991 und 1994 und besteht größtenteils aus Gesprächen mit israelischen Militärs, aber auch mit Politikern, Siedlern, Palästinensern und Schriftstellern aus der israelischen Friedensbewegung. Lanzmann sagt über den Film: ,,Es ist wichtig zu verstehen, daß der Holocaust nicht allein ein Massaker an Unschuldigen war, sondern daß es ein Massaker an Menschen war, die keine Verteidigung hatten, die nicht wehrhaft waren; das heißt an Leuten, die zum allergrößten Teil seit Generationen und Jahrhunderten nicht daran gewöhnt waren, Waffen zu gebrauchen und Gewalt anzuwenden. Daher handelt es sich bei Tsahal um die Fortsetzung von Shoah. Ich wollte zeigen, wie in der israelischen Armee das Trauma des Holocaust bis heu- te bestimmend ist. Im Zentrum von Tsahal steht das Problem, daß man angreifen muß, wenn man nicht sterben will, und daß man zugleich diesen Angriff nach Möglichkeit vermeiden will." ,,In Tsahal ging es mir darum, zu zeigen, daß diese Armee einen nicht gewalttätigen Ursprung hat. Natürlich gibt es auch in der israelischen Armee Sadisten und Typen, die gerne töten, aber ich bin davon überzeugt, daß es weniger sind als anderswo."
Tsahal zeigt die Auswirkungen eines anhaltenden Ausnahmezustandes, in dem die Trennung von ZivilistInnen und Militär aufgehoben ist und die Armee den ,,Kern eines gesellschaftlichen Konsenses" bildet. Der Film stieß auf harsche Kritik und Ablehnung: Von rechts wurde Tränengas in Kinos geworfen, weil junge Soldaten unge- schönt über den Terror des Krieges und ihre eigenen Ängste sprechen, von links verurteilte etwa Tom Segev Tsahal als Propagandakitsch und Yitzhak Rabin verließ vorzeitig die Premiere. Viele Aussagen im Film erscheinen angesichts dessen, was seit seiner Entstehung geschehen ist, merkwürdig fremd nicht zuletzt die damals auch von Lanzmann geteilten Friedenshoffnungen. Die grundsätzlichen Zusammenhänge, die Tsahal aufzeigt, haben jedoch nichts an Aktualität eingebüßt, und daß auch der Widerstand dagegen, sie wahrzunehmen, nicht geringer geworden ist, zeigen die nicht nur in Deutschland weitverbreiteten Israel-Nazivergleiche.
Zu den Filmen wird es eine Broschüre mit Artikeln und Interviews geben. Der Film Shoah ist im Infoladen erhältlich.