Am 14.11.2009 versammelten sich etwa 800 Menschen unangemeldet am Freiburger Schwabentor, um für Autonome Zentren und gegen Faschismus zu demonstrieren. Ein martialisches Großaufgebot der Polizei verhinderte eine Demonstration durch die Innenstadt. Im Vorfeld hatten Ordnungs- und Oberbürgermeisteramt der Polizei freie Hand zur Durchsetzung ihrer Repressionspolitik gegeben. Am internationalen Aktionstag für die antifaschistischen Opfer von Nazigewalt folgten auch viele französische, schweizerische und österreichische Linke dem Aufruf der KTS Freiburg.
Die KTS hatte im Vorfeld eine Deeskalationsstrategie angekündigt, die aber von Stadtverwaltung und Polizeidirektion sabotiert wurde, um eine Anmeldung der Demonstration zu erzwingen. Ein Vermittlungsversuch der Stadtratsfraktion der Grünen scheiterte ebenso wie ein weiteres Gesprächsangebot kurz vor der Demonstration, da die Polizei keine zum Schutz vor NazifotografInnen vermummten VerhandlungspartnerInnen akzeptieren wollte. Deshalb wurde mit der Polizei kurz vor Beginn der Demonstration telefonisch über die Route verhandelt. Von der Vorbereitungsgruppe wurde weitgehende Kompromissbereitschaft signalisiert und eine Minimalroute ausgehandelt. Doch die Verhandlungen erwiesen sich als Farce, weil der Polizeieinsatz als generalstabsmäßig geplantes militärisches Manöver konzipiert war. Als Vorwand für die Verhinderung der Demonstration wurde die Vermummung unter anderem durch bunte Masken angeführt, auf einzelne Flaschen- und Böllerwürfe wurde mit unverhältnismäßiger Härte reagiert. Der vordere Teil der Demonstration wurde ab etwa 16 Uhr eingekesselt. Die Polizei errichtete mehrere mobile Büros samt mobiler Straßenlaterne und führte rund 300 Personalienkontrollen samt Abfilmen und Abfotografieren durch. 250 Platzverweise wurde erteilt und etwa 40 Personen wurden mit auf die Wache genommen. Gegen 20:30 Uhr wurden die letzten Personen aus dem Kessel gezogen.
Bereits auf dem Weg zur Demonstration wurden etliche Personen an Vorkontrollen abgeschreckt, schikaniert, durchsucht und teilweise verhaftet. Die ganze Zeit über filmte die Polizei die DemonstrantInnen. Kurz nach Beginn um etwa 15 Uhr stoppte die Polizei die Demonstration und sperrte sämtliche Zugangswege. Da die Polizei aufgrund der Vermummten und Maskierten die Demonstration nicht laufen lassen wollte, wurde angekündigt die Demonstration aufzulösen. Dies wurde von der Polizei abgelehnt, sie hatte andere Pläne. Böllerwürfe wurden von der Polizei als Vorwand genommen, um die „Gewalttäter“ im vorderen Bereich der Demonstration von der Versammlung „auszuschließen“. Anschließend folgte die „Ausschließung“ der Vermummten und danach derjenigen, welche die „Gewalttäter unterstützen“. Schließlich wurde der gesamte Kessel „ausgeschlossen“ und die DemonstrantInnen einzeln und zum Teil sehr brutal über die nächsten Stunden hinweg von polizeilichen Schlägertrupps rausgegriffen.
Dutzende DemonstrantInnen wurden durch die Polizeibrutalität verletzt. Die PolizistInnen knüppelten auf Köpfe ein, traten und schlugen in die Menge, sprühten Pfefferspray auf Menschen im Kessel, verdrehten Arme, schleiften Festgenommene über den Asphalt und traten sie zusammen. Trotz Protest und Schmerzensschreien wurde einem Demonstranten, der sich erst kürzlich das Schlüsselbein gebrochen hatte, die Arme auf dem Rücken zusammengeschlossen und brutal nach oben gezogen. Einem Demonstranten wurde die Nase gebrochen, ein anderer erlitt nach zwei starken Stößen auf den Brustkorb einen Asthmaanfall. Mindestens drei Verletzte mussten im Krankenhaus behandelt werden. Ein Demonstrant wurde durch einen verantwortungslosen Flaschenwurf aus den hinteren Reihen der Demonstration am Kopf verletzt. Eine Schwangere kollabierte im Kessel und musste rausgezogen werden, mehrere Menschen hatten Kreislaufprobleme oder litten an Klaustrophobie. Bei Festnahmen wurden DemonstrantInnen, die ihren Namen rufen wollten, um andere auf ihre Festnahme hinzuweisen, der Mund zugehalten. Insbesondere Jugendlichen wurden bei der Festnahme ihre Kapuzen oder Pullover über Kopf und Gesicht gezogen, so dass sie Atemnot und Panik bekamen.
Der Polizeieinsatz wurde vom verhassten Bullenchef Heiner Amann geleitet, der den Leiter des Reviers Nord, Harry Hochuli, als willfähriges Werkzeug benutzte. Der Einsatz war brutal, er zielte auf Abschreckung durch körperliche Gewalt. Hochulis in schulmeisterhaftem Ton angekündigte Disziplinarmaßnahmen und moralisierende Standpauken waren arrogant und abstoßend. Das stundenlange „im Regen stehen lassen“ sollte zermürben und wirkte wie das martialische Auftreten der Roboter in Uniform auf viele Demonstrierende politisierend. Durch individuellen Psychotricks sollte der Einsatz isolierend wirken, viele Demonstrierende wurden mit Namen angesprochen. Die „Divide et impera“-Strategie scheiterte an der Solidarität der Demonstrierenden. Die Verhinderung der Demonstration, die Polizeigewalt, die Verhaftungen, die erkennungsdienstlichen Behandlungen und die vielen angedrohten Strafverfahren tragen zur Eskalation der politischen Situation in Freiburg. Die politischen Kosten für die Polizeiführung auf lokalpolitische Ebene sind hoch, denn Amann hat die liberale Öffentlichkeit in Freiburg noch weiter vergrätzt – von den materiellen Kosten ganz zu schweigen.
Trotz der Polizeigewalt war die Stimmung im Kessel die meiste Zeit über gut. Die Moderation, interessante Redebeiträge und sehr tanzbare Musik halfen den Eingekesselten, sich weder von der Polizei provozieren noch einschüchtern zu lassen. Es gab eine spontane Hip-Hop-Einlage gegen den Überwachungsstaat. Redebeiträge wurden von der Autonomen Antifa Freiburg, dem überregionalen Aktionsbündnis Siempre Antifascista, den Schattenparkern und dem Antifabündnis gegen den Naziaufmarsch in Rheinau gehalten. Die Reden der Anarchistischen Gruppe, von Kommando Rhino und von Aktion Bleiberecht sollten an späteren Orten folgen.
Die Freiburger Demonstration fand zeitgleich zu antifaschistischen Aktionen im Rahmen der „Siempre Antifa“-Aktionswochen statt, um der Opfer rechter Gewalt in zahlreichen Städten zu gedenken. Bereits am 11. November gab es in Madrid eine antifaschistische Demo in Gedenken an den von Nazis ermordeten Carlos Palomino. Ebenfalls am 11. November griffen über 400 Antifas einen Aufmarsch des faschistischen „Radikal-Nationalen Lagers“ (Oboz Narodowo-Radykalny) in Warschau an. In Göttingen demonstrierten am 14. November über 1.500 AntifaschistInnen anlässlich des 20. Todestages und in Gedenken an die am 17. November 1989 von der Polizei in den Tod gehetzten Antifaschistin Conny Wessmann unangemeldet und vermummt. Immer wieder kam es bei der Demonstration zu Angriffen der Polizei, die rund 300 Personalien feststellte und etwa 150 Personen durchsuchte.
In München setzte die Polizei derweil einen Naziaufmarsch gegen 700 autonome Antifas durch, denen es teilweise gelang, die Route der marschierenden FaschistInnen zu blockieren und diese anzugreifen. Es gab zahlreiche Festnahmen durch die bayerische Polizei. Die Nazimobilisierung für den Rieger-Gedenkmarsch in Wunsiedel war ein Misserfolg, denn nur wenige Nazis fanden sich in der fränkischen Stadt der Heß-Märsche ein. Ebenfalls am 14. November fand in Rostock eine Antirepressionsdemo gegen die überwachungsstaatliche Offensive und die in der kommenden Woche anstehenden Prozesse gegen zwei Rostocker NATO-Gegner in Strasbourg statt. Rund 500 Menschen demonstrierten begleitet von einem martialischen Polizeiaufgebot vom Hauptbahnhof bis hinunter zum Rostocker Hafen.
In Freiburg fand am 14. November der provokativste Polizeieinsatz gegen die autonome Szene seit dem DIY-Festival 2006 statt. Selbstverständlich werden wir das Verhalten von Stadtverwaltung und Polizei nicht einfach hinnehmen, sondern entsprechend beantworten. Wir laden euch alle zum gemütlichen Kinderpunschtrinken am 12. Dezember 2009 um 14 Uhr auf dem Weihnachtsmarkt ein.
Weg mit dem Vermummungsverbot!
KTS-Demonachbereitungsgruppe
Communiqué vom 15.11.2009
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